Christian Monney ist ein eleganter, leutseliger und lächelnder Mann. Sein strahlendes Gesicht lässt nicht erahnen, dass dieser Sommelier und Chef de Rang dunkle Stunden erlebt hat, verstrickt in seine bisweilen extreme Alkoholabhängigkeit. Seit drei Jahren ist er abstinent. Seit 2017 ist er Patient des FNPG und erzählt dem TILT!-Magazin, wie es ihm mit Unterstützung des Teams des kantonalen Zentrums für Abhängigkeitserkrankungen gelungen ist, sich nach und nach wieder aufzubauen und ohne Alkohol zu leben. Ein starker und hoffnungsvoller Erfahrungsbericht.
TILT!: Herr Monney, wie geht es Ihnen heute?
Es geht mir gut. Das Leben hat es mir nicht leichtgemacht, aber heute möchte ich mich um mich und meine Freunde kümmern.
Können Sie uns Ihren Werdegang schildern?
Er ist ziemlich klassisch. Ich absolvierte meine Schulen von 1971 bis 1981 in Villars-Vert und wuchs in einer grossen Familie mit drei Brüdern und drei Schwestern auf. Meine Eltern besassen ein Restaurant, und nach dem Abschluss der Pflichtschule arbeitete ich natürlich im Familienbetrieb. Ich blieb dort, bis ich 24 Jahre alt war und lernte den Beruf mit meinen Eltern auf der Arbeit, ohne besondere Ausbildung. 1990 verliess ich das Familienrestaurant, um im Avry-Centre im Merkur zu arbeiten. Das war ein riesiges Abenteuer für mich, weil ich gleichzeitig von zu Hause auszog. Sie werden mir sagen, dass das in diesem Alter normal ist – aber für mich war es ein ziemlicher Sprung ins Ungewisse, ausserhalb des behüteten Nests der Familie, und der Alkohol begann damals, sich in mein Leben einzuschleichen. In der Gastronomie zu arbeiten, ist diesbezüglich natürlich nicht gerade hilfreich, und drei Jahre später wurde ich von dieser ersten Arbeit entlassen und kehrte zu meinen Eltern zurück.
Und danach?
Danach arbeitete ich in verschiedenen Freiburger Gaststätten, ab 1995 als Buffet- und Schankkellner im Escale in Givisiez. Eine Zeitlang arbeitete ich auch in der Logistik, in der Institution Sainte-Camille, wo Menschen mit Behinderungen unterstützt werden, kehrte dann aber in die Gastronomie zurück und arbeitete in verschiedenen Gaststätten auch als Chef de Rang und Verantwortlicher eines Speisesaals, was sehr aufregend war. Ich hatte das Gefühl, dass man mir vertraute, während ich von meiner Familie nur wenig Anerkennung erhielt, weil sie mir nicht so viel zutraute. Während des Schwangerschaftsurlaubs der Chefin des Restaurants «Hôtel de Ville» übernahm ich sogar die Leitung des Betriebs.
Ihr Lebenslauf scheint nicht sehr ungewöhnlich
Dem Anschein nach nicht, aber der Alkohol war immer schon mit im Spiel. Ich trank viel – obwohl ich damals im Leben noch gut zurechtkam. Im Jahr 2000 verlor ich dann einen meiner Brüder, der sich das Leben nahm. Das war ein sehr grosser emotionaler Schock. Danach arbeitete ich abwechselnd in verschiedenen Gaststätten und im Familienrestaurant. 2013 war ein Kipppunkt, als im August zuerst mein Vater starb und zwei Monate später auch meine Mutter. Ich stand meiner Mutter sehr nahe, meinem Vater etwas weniger. Das war emotional sehr schwer zu verkraften und ich suchte Zuflucht im Alkohol. In den Monaten nach diesem zweifachen Verlust trank ich bis zu acht Liter am Tag.
Erzählen Sie weiter
2014 lernte ich Joachim kennen, die Liebe meines Lebens. Auch er war Alkoholiker. Wir waren fast zehn Jahre lang zusammen, mit Höhen und Tiefen. Der Alkohol war stets Teil unseres Lebens, bis es zu viel wurde. Zu meinem 50. Geburtstag erhielt ich eine Mittelmeerkreuzfahrt geschenkt. Das war ein Anlass, ausgiebig zu feiern. Doch mein übermässiger Alkoholkonsum liess mich derart traurige Zustände erreichen, dass mir der Blick der Freundin, die mich begleitete, deutlich machte, dass ich Hilfe brauchte. Bis zu dieser Kreuzfahrt hatte ich mein Alkoholproblem völlig verleugnet, obwohl ich bereits seit 2017 im Freiburger Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen in Behandlung war. Ich musste mich erst in den Augen einer anderen Person sehen, um mir bewusst zu werden, dass es so nicht weitergehen konnte. Im Januar 2019, zwei Tage nach meinem 50. Geburtstag, willigte ich in Absprache mit meinem behandelnden Arzt in eine stationäre Behandlung ein. Es war allerletzte Eisenbahn, um etwas zu unternehmen, bevor meine Gesundheit unwiderruflich in Gefahr geriet. So kam ich auf die Station Callisto im Stationären Behandlungszentrum – ein wichtiger, einsichtsvoller Schritt auf einem langen Behandlungsweg.
Und wie verlief die stationäre Behandlung?
Der Anfang war sehr schwierig. Nach 15 Tagen hatte ich überhaupt keine Lust mehr, dort zu bleiben! Aber in mir drinnen wusste ich, dass ich unbedingt gesund werden musste. Es war kein einfacher Prozess. Ich musste von meinem Leben erzählen, von meinen Ängsten und meinem Leid. Ich musste von der Person erzählen, die ich war, musste lernen, zu vertrauen und mit dem Urteil verschiedenster Menschen umzugehen, auch aus meinem Bekanntenkreis, die mir wenig zutrauten. Die Ärztinnen, Ärzte und Teams des FNPG halfen mir Tag für Tag, mein Selbstvertrauen zu stärken, und begleiteten mich im Aufbau eines Therapieplans, der mir entsprach und mir den Weg zur Alkoholabstinenz aufzeigte. Es ist nie einfach, aber wenn der eigene Wille professionell begleitet und gestützt wird, kann man es schaffen.
Trotz der Widrigkeiten des Lebens
Ja. 2022 wurde Joachim schwer krank. Er litt an einem hochaggressiven Tumor. Ich hatte ihm gesagt, dass ich in guten und in schlechten Zeiten da sein würde. Deshalb war klar, dass wir diese Prüfung gemeinsam durchstehen mussten, mit dem Palliativteam der Villa Saint-François, das sehr menschlich und verständnisvoll war. Ich blieb bis am Ende an seiner Seite. Mein Lebenspartner ging am 13. April 2023 von mir. Danach wusste ich, was Liebe ist, denn zwischen uns gab es viel davon. Ich war so traurig, ihn gehen zu sehen. Aber ich bin auch stolz darauf, dass ich nicht wieder zu trinken anfing. Dazu konnte ich auch auf fantastische Freundschaften zählen, die mich unterstützt haben. Und ich danke ihnen auch heute noch dafür, da zu sein. Freundschaften sind ganz zentral, um schwierige emotionale Phasen im Leben zu überstehen. Nach dem Tod meines Bruders und meiner Mutter war der Tod meines Lebenspartners ein schwerer Schicksalsschlag. Heute kann ich sagen, dass ich meiner Alkoholabstinenz trotz allem treu geblieben bin.
Was hilft Ihnen auf Ihrem Weg im FNPG?
Dass ich an meiner Abstinenz festhalten konnte, verdanke ich den Teams, insbesondere Colette Dupasquier und Dr. Rafik Bouzegaou, die mich begleitet haben und denen ich von ganzem Herzen für ihre Unterstützung danke. In der Psychotherapie, in therapeutischen Gruppen und durch Spezialtherapien wie Massage und Akupunktur lernte ich, meine Emotionen zu regulieren und mögliche Auslöser für den Alkoholkonsum zu erkennen. Im Freiburger Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen werde ich regelmässig ambulant betreut. All diese Hilfen ermöglichten es mir, meine Kompetenzen und mein Selbstvertrauen, die ich zuweilen aus den Augen verloren hatte, wiederzufinden. Meine Therapiepersonen helfen mir auch, Verhaltensstrategien zu entwickeln, um das Erreichte zu festigen. Selbstzweifel abzubauen und verlorenes Selbstwertgefühl wiederzufinden ist ein ganzes Stück Arbeit. Heute habe ich das Gefühl, aus all diesen Prüfungen, die ich durchgemacht habe, gestärkt hervorgekommen zu sein.
Was hat Ihnen am meisten geholfen, diese Phase zu überstehen?
Dass mir jemand zugehört und vertraut hat und das Einfühlungsvermögen der Menschen. Ich habe seitens der Menschen, die mich im FNPG begleiten, viel Menschlichkeit gespürt. Vor allem hatte ich das Gefühl, dass mich niemand verurteilt. Und dieses Gefühl stärkt mein Vertrauen in meine Beziehung zu ihnen.
Haben Sie heute wieder Zukunftspläne?
Ich möchte mich um mich selbst kümmern, das ist momentan das Wichtigste. Ich würde gerne reisen und Ferien auf den Kanarischen Inseln machen. Ausserdem möchte ich die Freundschaften pflegen, die mir nahegestanden sind und mir geholfen haben. Freundschaften sind etwas Starkes. Vor seinem Tod sagte mir Joachim, dass ich neu anfangen müsse. Dazu fühle ich mich noch nicht bereit. Er hat mir gezeigt, was Liebe ist, und das war wunderschön. Wer weiss, was die Zukunft für mich bereithält! Ja, ich möchte die Liebe wiederfinden.
DAS INTERVIEW FÜHRTE RFSM
FOTO Nicolas Repond