Abhängigkeitskranke, die abstinent sein möchten, sind mit vielfältigen Versuchungen konfrontiert, die einen Rückfall zur Folge haben können. Die Expositionstherapie in virtueller Realität (kurz: VR-Exposition) könnte da Abhilfe bringen, so Dr. Rafik Bouzegaou, Dr. André Kuntz und Prof. Isabelle Gothuey, Ärztliche Direktorin des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie des FNPG.
In der «Revue médicale suisse» erklären die drei Experten, dass die schrittweise Exposition von Patienten gegenüber Angstreizen, bis die Angstreaktion schliesslich unterbleibt, eine Expositionsstrategie der kognitiven Verhaltenstherapie ist, die sich auch in der virtuellen Realität praktizieren lässt. In der VR-Exposition wird die physische Anwesenheit des Patienten in einer künstlichen, dynamischen 3D-Umgebung simuliert, mit der er interagieren kann. Zu diesem Zweck trägt der Patient eine VR-Brille.
Auslösende Reize verstehen
Die Idee ist, diejenigen Reize zu analysieren und besser zu verstehen, die ein unwiderstehliches Verlangen (Craving) im Patienten auslösen, und gestützt darauf Strategien zu entwickeln, mit denen sich das Rückfallrisiko möglichst reduzieren lässt. Die VR-Exposition hat da mehrere Vorteile. Bei einer Person mit Flugangst z. B. liegen sie auf der Hand: Patient und Therapeut müssen nicht jedes Mal ein Flugzeug besteigen, um das Problem allmählich in den Griff zu bekommen.
Vielversprechende Ergebnisse
Schon seit mehreren Jahren werde die VR-Exposition in der Behandlung psychischer Störungen eingesetzt und werde ihre Wirksamkeit untersucht, insbesondere bei Angststörungen und Phobien, so die drei Experten. Erste Studien zeigen, dass die VR-Exposition Rückfälle in den Substanzmissbrauch reduzieren kann und wirksamer ist als herkömmliche Behandlungen. Die Wirksamkeit der VR-Exposition in Bezug auf die Veränderung des Suchtverhaltens bleibe jedoch umstritten; die Ergebnisse seien eher durchwachsen, wenn auch vielversprechend, so die drei Experten.
Die drei Experten sind jedoch weiterhin davon überzeugt, dass die VR-Exposition ein interessantes Behandlungsinstrument werden könnte, das die derzeitigen Suchttherapien ergänzen kann, weil sie eine Reduzierung des Cravings und des kompulsiven Verlangens nach Substanzen oder bestimmten Tätigkeiten ermöglicht. Sie ermöglicht zudem die Ermutigung der Patienten, die Stärkung ihrer Selbstbehauptungskompetenzen und die Stärkung ihres Vertrauens in ihre Fähigkeit, die Kontrolle über ihren Konsum wiederzuerlangen.
Was?
Der Einsatz der VR-Exposition als Ergänzung zur herkömmlichen Suchtbehandlung ist vielversprechend.
Wieso?
Die VR-Exposition könnte den Patienten helfen, ihre Reaktion auf Suchtreize zu verändern und weniger Suchtdruck zu empfinden.
Wie?
In der VR-Exposition erfolgt die Exposition des Patienten gegenüber den Triggern in einer leicht zugänglichen, sicheren virtuellen Umgebung.
TEXT Kessava Packiry
FOTO Nicolas Repond