Die Anfänge des FNPG

Die ersten Überlegungen zur Schaffung einer kantonalen Anstalt datieren vom Anfang des 19. Jahrhunderts. Ein langer politischer und medizinischer Weg führte zwei Jahrhunderte später schliesslich zur Gründung des heutigen FNPG.

Psychische Störungen sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Völker und Kulturen begegneten dieser Realität auf unterschiedlichste Art und Weise. Zur Behandlung psychischer Erkrankungen oder zumindest zur Verringerung des Leidens der Patienten wurden im Laufe der Zeit verschiedenste Methoden erdacht: Opfergaben, Exorzismen und Zauberei, die Anbetung von Heiligen, die Pflanzenheilkunde, die ersten Tollhäuser im 15. Jahrhundert, die Entwicklung der Psychiatrie im 19. Jahrhundert mit den ersten Irren- bzw. Nervenärzten, die Eugenik, die Entwicklung von Tränken und Medikamenten bis hin zu den neusten technologischen und therapeutischen Fortschritten.

Freiburg war da keine Ausnahme. Bevor 1758 im Spital von Freiburg zwölf Zellen für «Irre» und «Verrückte» gebaut und 1875 die Anstalt Marsens in Betrieb genommen wurde, wurden kranke oder behinderte Menschen in ihren Familien belassen, wo sie oft in erbärmlichen Verhältnissen im Stall angebunden oder in einer Kammer eingesperrt lebten. Patienten aus wohlhabenderen Familien wurden in den Irrenhäusern der Nachbarkantone behandelt.

Küche des Spitals Marsens, 1931 – © Photo Glasson, «Musée gruérien» und Archiv des FNPG.

Anfangs des 19. Jahrhunderts wurden sich die Kantonsbehörden der Notwendigkeit einer kantonalen Anstalt bewusst. Nach langer Suche nach einem geeigneten Standort wurde Marsens als idealer Ort für eine Irrenanstalt befunden, weil es fernab von den Agglomerationen lag. Eine damalige Untersuchung in der Bevölkerung ergab, dass der missliche Zustand der kantonsweit verstreuten Irren vordringlich die Schaffung einer Anstalt für die Behandlung der Geisteskrankheiten erforderte. Die Institution wurde 1869 auf Beschluss des Grossen Rates gegründet. Die Bauarbeiten begannen 1872 mit dem Bau eines Komplexes mit sechs Gebäuden mit einer Aufnahmekapazität von 125 Kranken.

Die ersten in Marsens gebauten Gebäude hatten eine Aufnahmekapazität von 125 Erwachsenen beiden Geschlechts. 1878 zählte die Anstalt Marsens 60 Kranke und 14 Personen, die sich um diese kümmerten: einen Ärztlichen Direktor, einen internen Arzt, einen Pflegeleiter, fünf Krankenpfleger, eine Oberschwester, vier Krankenschwestern und ein Dienstmädchen. Bereits 1881 begannen die Direktion und die Verwaltungskommission, sich Sorgen um den Platzmangel zu machen.

Aus der Statistik des Spitals von 1930: eingetragene Patienten: 4695; geheilte: 1110; mit Zustandsverbesserung: 1422; in die Familie zurückgekehrt: 844; für nicht geisteskrank befunden: 30; und gestorben: 914.

Die Patienten wurden von ihrem Arzt eingewiesen oder per Gerichtsentscheid interniert und ihr Aufenthalt konnte viele Jahre dauern.
Ab 1875 wurden die Patienten in drei Klassen eingeteilt. Die Patienten der 1. und 2. Klasse waren die wohlhabenderen; ihre Familien finanzierten ihren Aufenthalt. Sie hatten Vorteile wie Butter und Konfitüre zum Morgenessen und eine Unterkunft im Einzelzimmer. Zwischen 1895 und 1910 waren diese Patienten in den Villen von Humilimont untergebracht. Der Aufenthalt der Patienten der 3. Klasse wurde dagegen von den Wohnsitzgemeinden bezahlt.

Fast ein Jahrhundert lang wurden unterschiedslos psychisch Kranke und psychisch Behinderte in der Institution untergebracht. Das Spital Marsens war mit seinen vielen Gebäuden, seinen zu bewirtschaftenden Grundstücken, seinem Personal, seinen Diensten und seinen Leistungen wie eine kleine Stadt.

Beschäftigung der Patienten, Anstalt Marsens, ca. 1910 – © Photo Glasson, «Musée gruérien» und Archiv des FNPG.

Das Gebäude im Mittelpunkt des Komplexes mit der Küche und den Wirtschaftsdiensten zählte zu den ersten ab 1872 realisierten Bauten. 1910 wurde es neu gebaut und vergrössert. Die öffentliche Gaststätte «La Croix-Blanche», die Käserei und die Bäckerei wurden 1928 eröffnet. 1979 wurden neue Wirtschaftsdienste in Betrieb genommen. 1936 waren im Spital bis zu 400 Patienten untergebracht, 1971 bis zu 480.

Im Jahr 2000 eröffnete das psychiatrische Spital anlässlich seines 125-jährigen Bestehens neben dem einstigen Gebäude der Wirtschaftsdienste das Kulturforum «Vide-poches». In diesem Pavillon fanden regelmässig Kunstausstellungen statt, die sowohl für die Patienten als auch für die Öffentlichkeit zugänglich waren. Ein Teil der dort gezeigten Werke gehört nun zur Innen- und Aussendekoration der Institution.

Die Gründung des FNPG im Jahr 2008 war ein wichtiger Schritt in dieser langen Geschichte der psychiatrischen Versorgung im Kanton Freiburg.

 

 

 

TEXTChristophe Mauron. Texte aus der Ausstellung «Innere Welten»,
«Musée gruérien», 6.10.2018–6.1.2019.

FOTO © Photo Glasson, «Musée gruérien» und Archiv des FNPG.

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