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Integrierte psychiatrische Versorgung für die deutschsprachigen Patienten

Das FNPG Freiburg ist vor allem das Zentrum für integrierte psychiatrische Versorgung der deutschsprachigen Kantonsbevölkerung. Interview mit Dr. Luca Rampa, Stellvertretender ärztlicher Direktor des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie des FNPG.

In welchem Jahr konnten Sie Ihre ersten stationären deutschsprachigen Patienten im FNPG Freiburg empfangen?

Die stationäre Behandlung deutschsprachiger Patienten ist im FNPG Freiburg seit September 2020 möglich, während das deutschsprachige Ambulatorium und die deutschsprachige Tagesklinik bereits 2017 dort eröffnet wurden. Im September 2020 zog die ehemalige deutschsprachige Abteilung des FNPG Marsens endgültig in das FNPG Freiburg um, und das Angebot wurde durch die Eröffnung einer zweiten stationären Abteilung erweitert. Gegenwärtig stehen den Deutschfreiburgern die Stationen Merkur und Saturn zur Verfügung, sowie die Tagesklinik und das Ambulatorium, so dass das FNPG Freiburg nun am selben Standort das ganze Spektrum möglicher therapeutischer Settings anbietet und den deutschsprachigen Patienten dementsprechend ein wohnort- und alltagsnahes therapeutisches Umfeld zur Verfügung stellt.

Wie war das vorher?

Ab 2015 konnten deutschsprachige Patienten zwischen einer ausserkantonalen Hospitalisation und einer Hospitalisation in der deutschsprachigen Abteilung des FNPG Marsens wählen. Beide Optionen waren für die Patienten jedoch oft zu weit vom familiären Umfeld entfernt. So wurden diese Angebote oft nur zögernd oder nur bei zwingender Indikation in Betracht gezogen. Das Angebot war somit unzureichend, so dass Patienten nicht erschienen, stationäre Angebote in der Stadt Bern beanspruchten oder ganz auf eine fachärztliche Betreuung verzichteten, was eine zusätzliche Belastung für die Hausärzte darstellte. Wegen der Entfernung zum Alltag gestalteten sich diese Behandlungen schwieriger, die Motivation zur Veränderung konnte wegen der zusätzlich erforderlichen Wegstrecken oft nicht aufrechterhalten werden und viele Patienten brachen ihre Behandlung ab.

«Die Patienten sind dankbar für dieses Angebot.»

Über wie viele Betten verfügen Sie und wie hoch ist der Belegungsgrad?

Das stationäre Angebot für deutschsprachige Patienten wurde sukzessive ausgebaut. Vor 2015 gab es zweisprachige Stationen mit mehrheitlich französischsprachigem Personal. Ab 2015 gab es die deutschsprachige Abteilung in Marsens mit 15 Betten, die allmählich auf 26 Betten erhöht wurden. Nach dem Umzug in das FNPG Freiburg und der Eröffnung der zwei deutschsprachigen Stationen sind es nun 38 Betten. Der Belegungsgrad ist hoch und das Angebot hat zu mehr Einweisungen durch niedergelassene Psychiaterinnen und Psychiater und Hausärztinnen und Hausärzte geführt. Die Zusammenarbeit ist gut und hat sich stark verbessert.

Was sind die ersten Rückmeldungen dieser Patienten und ihrer Familien? Schätzen sie es, ein Zentrum zu haben, das für die deutschsprachige Bevölkerung bestimmt ist?

Die Patienten und ihre Familien sind dankbar für dieses Angebot und finden es positiv, dass sie in der Nähe ihres Wohnorts eine kompetente Behandlung erhalten und durch ein solches Angebot unterstützt werden. Der Standort ist für die deutschsprachigen Bezirke des Kantons gut erreichbar, sei es von der Stadt aus oder über die Autobahn, und es ist eine sehr gute Zusammenarbeit sowohl mit den Familien als auch mit den ambulanten Angeboten in der Umgebung möglich. Dabei handelt es sich insbesondere um gemeindenahe Angebote, mit denen die Patienten zu Hause unterstützt werden, um Wohnangebote für Menschen mit psychischen Schwierigkeiten, die durch einen rehabilitativen Ansatz mittelfristig zur Stabilisierung vieler Situationen beitragen, und um die Gemeinden, weil die Zusammenarbeit mit den Sozialdiensten intensiv sein kann.

Wie lautet Ihre Bilanz?

Die Arzt-Pflege-Teams sind sehr zufrieden mit dieser Entwicklung und den neuen Möglichkeiten, psychotherapeutische Interventionen zu koordinieren und die Patienten über den Verlauf ihrer psychischen Erkrankung zu begleiten. Die Patienten können ambulant behandelt werden, im Rahmen einer Krisensituation stationär aufgenommen werden und ihre Behandlung anschliessend in der Tagesklinik fortsetzen. In solchen Situationen werden die Patienten bei ihrer Rückkehr auf den Ausbildungsweg oder ins Berufsleben begleitet und sie lernen, mit ihren Defiziten umzugehen, wodurch Zustandsverschlechterungen vorgebeugt werden kann.
Auf der Ebene des strategischen Managements wurde nun die kritische Grösse erreicht, die spezifische Programme ermöglicht. In dieser Hinsicht eröffnen sich wiederum Synergien mit den französischsprachigen Angeboten, die bereits etabliert sind. Die Kompetenzen sind zunehmend vorhanden, um diesen Wissenstransfer zu leisten und letztlich die Qualität der Behandlung zu verbessern.

Was sind Ihre aktuellen und künftigen Herausforderungen?

Das deutschsprachige Angebot ist seit jeher im Wandel begriffen und musste nicht nur die Qualität steigern, sondern auch die Quantität, um eine kritische Grösse zu erreichen, die eine Diversifizierung des Angebots ermöglicht.
Gegenwärtig geht es darum, das Angebot so zu etablieren, dass nicht nur die Behandlung der Patienten gewährleistet wird, sondern auch die Ausbildung des Personals in den verschiedenen Disziplinen und ein Netzwerk entstehen kann, in das das FNPG Freiburg als Zentrum für integrierte Versorgung und wichtige Option bei der Organisation kurz- und langfristiger Behandlungen eingebunden ist. Einige Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie, die im FNPG ausgebildet wurden oder mit ihm zusammengearbeitet haben, haben sich in der Stadt Freiburg und Umgebung niedergelassen und können sich weiterhin an der Versorgung deutschsprachiger Patienten beteiligen.
Des Weiteren muss die Forderung nach ständiger Verbesserung der Qualität der psychiatrischen Versorgung aufrechterhalten werden, damit die Motivation und das Interesse aller Beteiligten erhalten bleiben. Ausserdem ist nach wie vor ein kritischer Dialog erforderlich, wobei die Betroffenen zunehmend in die Grundsatzdiskussionen einzubeziehen sind, um die Patientenerfahrung durch Anpassungen und kreative Lösungen zu verbessern.

Luca Rampa
Seit September 2021 ist Luca Rampa Stellvertretender ärztlicher Direktor des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie des FNPG. Er arbeitet seit dem Sommer 2016 im FNPG und leitete zunächst als Leitender Arzt die deutschsprachige Behandlungskette.

DAS INTERVIEW FÜHRTE Kessava Packiry
FOTO Nicolas Repond

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