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«Wir müssen die psychiatrische Versorgung weiter destigmatisieren»

Rose-Marie Rittener ist zur Präsidentin des Verwaltungsrats des FNPG gewählt worden. Sie engagiert sich seit langem im Bereich der Gesundheit und macht keinen Hehl daraus, dass die künftigen Herausforderungen enorm sind.

Was wird mit Tilt!, dem Magazin für psychische Gesundheit im Kanton Freiburg, bezweckt?

Mit dem Magazin Tilt! sollen der breiten Öffentlichkeit Themen der psychischen Gesundheit und die Tätigkeit des FNPG in allgemeinverständlicher Form nähergebracht werden. Psychische Erkrankungen und ihre Behandlung sind immer noch mit Ängsten und einer gewissen Tabuisierung verbunden. Wir müssen die psychiatrische Versorgung weiter destigmatisieren und unser Angebot präsentieren, um den Patienten und ihren Angehörigen eine Orientierungshilfe zu geben.

Der Verwaltungsrat (VR)hat sich kürzlich neu konstituiert. Können Sie uns etwas dazu sagen?

Der VR des FNPG bestand bis am 30. Juni 2022 aus neun stimmberechtigten Mitgliedern und aus sechs Mitgliedern mit beratender Stimme. Seit der Gründung des FNPG vor 15 Jahren hatte die Staatsrätin und Vorsteherin der Direktion für Gesundheit und Soziales (GSD) den Vorsitz inne. 2018 veranlasste der Grosse Rat mit einer Änderung der Spitalgesetze eine Verkleinerung der VR des HFR und des FNPG und die Streichung des Grundsatzes, dass der Staatsrat und Vorsteher der GSD zwingend zu den VR-Mitgliedern zählt. Der neue VR setzt sich mithin aus sieben Mitgliedern zusammen, und der Vorsitz wurde erstmals einer Person ausserhalb des Staatsrats anvertraut.

«Unsere Werte: Solidarität, Respekt und Teilen.»

Was werden Ihre grössten Herausforderungen sein?

Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die ganze Kantonsbevölkerung Zugang zu hochwertigen Leistungen im Bereich der psychischen Gesundheit erhält, die wissenschaftlich fundiert und humanistisch geprägt sind. Dies stellt im aktuellen sozialen und gesundheitlichen Kontext eine enorme Herausforderung dar – sowohl finanziell als auch personell. Die Statistiken sind klar: Der Bedarf an psychiatrischer Versorgung in der Bevölkerung steigt. Die finanziellen Mittel, die wir erhalten, sind jedoch begrenzt. Die Krankenversicherer üben starken Druck aus, um die Leistungskosten einzudämmen oder zu senken, und die Staatsbeiträge für gemeinwirtschaftliche Leistungen stagnieren. Es ist sehr schwierig, für neue Entwicklungsprojekte eine Finanzierung zu finden. Ausserdem hängt die Qualität unserer Leistungen direkt von der Qualität des Behandlungspersonals ab, das wir einstellen können. In der Schweiz hat es nicht genügend Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachpersonen und Therapeutinnen und Therapeuten, die auf psychische Gesundheit spezialisiert sind, und die Personalrekrutierung gestaltet sich schwierig. Im Kanton Freiburg wird dieses Problem durch die Zweisprachigkeit noch verschärft.

Sie haben es mit dem Magazin Tilt! angedeutet: Gehört auch die Kommunikation zu den künftigen Herausforderungen?

Das ist in der Tat so. Und diese Herausforderung knüpft an die zuvor erwähnten Herausforderungen an. Die Öffentlichkeit muss verstehen, was wir tun, und unsere Geldgeber müssen motiviert werden, uns die nötigen Mittel zu gewähren. Wir müssen die Kommunikation und den Dialog mit allen Beteiligten stärken.

Sie sind schon lange im Bereich der Gesundheit tätig. Kann man sagen, dass dies Ihre Berufung ist?

Mein Engagement im Bereich der Gesundheit beruht auf meinen Werten. Es liegt mir am Herzen, mich für die Verwundbarsten in der Gesellschaft einzusetzen und Werte wie Solidarität, Respekt und Teilen zu fördern. Im FNPG wollen wir diese Werte verwirklichen und die Bedürfnisse und Erwartungen all jener berücksichtigen, deren Lebensweg durch eine vorübergehende oder länger andauernde gesundheitliche Beeinträchtigung erschwert wird. Diese Werte finden sich auch in der Ethik-Charta des FNPG, die für uns ein grundlegender Ankerpunkt ist und in der ich mich voll und ganz wiedererkenne.

Rose-Marie Rittener
Rose-Marie Rittener ist die neue Präsidentin des Verwaltungsrats des FNPG, an der Seite des neuen Vizepräsidenten André Schneuwly. Sie beide und Dr. Daniel Cornaz wurden für die Amtsperiode 2022–2027 als Verwaltungsratsmitglieder wiederernannt. Neue Verwaltungsratsmitglieder sind Maryse Aebischer, Anouk Marmier Osiek und Staatsrat Jean-François Steiert.

DAS INTERVIEW FÜHRTE Kessava Packiry
FOTO Nicolas Repond

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