centre de psychiatrie integrée RFSM

Ein Zentrum für integrierte psychiatrische Versorgung

Das Zentrum in der Nähe des Freiburger Kantonsspitals bietet eine ganze Palette von Leistungen, die nach den Bedürfnissen der einzelnen Patienten zum Zuge kommen.

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Im Zentrum für integrierte psychiatrische Versorgung in Villars-sur-Glâne sind alle Leistungen der öffentlichen Psychiatrie vereinigt. Prof. Isabelle Gothuey, Ärztliche Direktorin des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie des FNPG, über dieses Zentrum und seine Vorteile.

Tilt!: Wie kam es zu diesem Projekt eines Zentrums für integrierte Versorgung?

Isabelle Gothuey: Noch heute ist das Stationäre Behandlungszentrum Marsens in der populären Vorstellung eine Anstalt. Es musste etwas unternommen werden, um die Vorstellung zu ändern, die man gemeinhin von der psychiatrischen Versorgung in derart stigmatisierten Orten hatte. Auch musste die Zugänglichkeit und die Nähe der psychiatrischen Notfallversorgung verbessert und die Reaktivität des Angebots implementiert werden. Und zu guter Letzt mussten neue Versorgungsstrukturen für deutschsprachige Patienten aufgebaut werden, für die wir bislang nur teilweise Leistungen in deutscher Sprache angeboten hatten. Das war übrigens der Ausgangspunkt. Nach und nach kamen dann die Notfallpsychiatrie, die Kriseninterventionsstation (der stationäre Teil der Notfallpsychiatrie mit ihren ambulanten Krisenkonsultationen), die anderen ambulanten Dienste, das Zentrum für forensische Psychiatrie und das Universitäre Zentrum psychiatrische Forschung hinzu. Unser Zentrum für integrierte psychiatrische Versorgung setzt sich heute aus all diesen Abteilungen zusammen und bietet der Kantonsbevölkerung eine ganze Reihe von Leistungen, die nach den Bedürfnissen der Patienten zum Zuge kommen können.

Was sind die Vorteile?

Psychiatrische Hospitalisationen können vermieden oder verkürzt werden. Die Reibungslosigkeit des Behandlungswegs wird verbessert. Alles steht am gleichen Standort zur Verfügung. Und das Zentrum ist vor allem für die Destigmatisierung wichtig. Wenn jemand ins FNPG Freiburg geht, dann kümmert sich niemand darum, ob diese Person in die Tagesklinik geht, einen Patienten besucht oder sich in der Cafeteria einfach eine Pause gönnt. Stigmatisierung ist ein wichtiger Faktor, der den Rehabilitationsprozess blockiert, denn es bereitet dem Umfeld oder dem Arbeitgeber Angst, wenn sie erfahren, dass jemand in einer psychiatrischen Einrichtung hospitalisiert wurde. Noch schlimmer ist die Selbststigmatisierung: Menschen können sich nutzlos und inkompetent fühlen und sich sozial zurückziehen. Wir haben dieses Zentrum so gewollt, damit die Psychiatrie weniger Angst macht, und setzen auf sein gesellschaftsintegratives Potenzial.

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Das Zentrum für integrierte psychiatrische Versorgung FNPG Freiburg wurde im September 2022 eingeweiht.


 

Wie funktionierte der psychiatrische Notdienst vorher?

Nehmen wir ein Beispiel zur besseren Veranschaulichung: Eine Person mit einer bipolaren Störung erleidet eine manische Episode, weil sie ihre Medikamente nicht eingenommen hat. Völlig übererregt und halluzinierend, fängt sie in zerstörerischer Wut an, zu Hause alles kaputtzumachen. Ihre Angehörigen rufen die Polizei, die sie dann auf den Polizeiposten bringt oder, was wahrscheinlicher ist, in ein Spital des HFR. Es ist 2 Uhr morgens. Der diensthabende Psychiater wird angerufen, und dieser entscheidet, die Person gegen ihren Willen einzuweisen. Der Patient wird mit der Ambulanz in das Stationäre Behandlungszentrum gebracht. Verglichen damit kommt es in der jetzigen kantonalen Notfallpsychiatrie zu einer sofortigen Zuweisung. Der Patient wird von einem interprofessionellen Team untersucht, es wird mit ihm erwogen, ob eine stationäre Behandlung sinnvoll sein könnte, ob eine kurzfristige ambulante Behandlung möglich wäre, ob die Medikation angepasst werden muss und ob es für seine Angehörigen zumutbar wäre, wenn er zu Hause bliebe. Im neuen Modell ist die Patientenversorgung somit sehr verschieden, nämlich rascher, zugänglicher und einfacher.

Nutzen die deutschsprachigen Patienten das Angebot?

Ja. Anfang 2021 haben wir die Bettenzahl um 20 erhöht. Damit stehen der deutschsprachigen Kantonsbevölkerung nun 40 Betten zur Verfügung. Wir wissen, dass die Nachfrage vorhanden ist.

Ein paar Worte zum Universitären Zentrum für psychiatrische Forschung?

Es ist ebenfalls ein herausforderndes Projekt, die Frucht des Willens des Kantons, die Universität Freiburg müsse den ganzen Studiengang in Humanmedizin anbieten. Nachdem sie bis 2017 nur den Bachelorstudiengang anbot, musste der Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt Hausarztmedizin aufgebaut werden. 

Warum ist das für die Psychiatrie von Belang? 

Die Allgemeinmediziner behandeln als Erstversorger fast 30 % der Patienten mit psychischen Störungen. Somit haben wir das Programm so aufgebaut, dass die Medizinstudierenden bereits im ersten Masterjahr sechs Wochen lang in unsere psychiatrischen Abteilungen eingetaucht werden. Dies ist eine neue, akademische Rolle des FNPG. Parallel dazu hat die Universität Dr. Gregor Hasler als ordentlichen Professor für Psychiatrie angestellt.

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Isabelle Gothuey
Dr. Isabelle Gothuey ist Ärztliche Direktorin des Bereichs Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie des FNPG, Psychiaterin und Psychotherapeutin, Psychoanalytikerin und Titularprofessorin an der Universität Freiburg. Sie verfügt über Schwerpunkttitel in Psychiatrie und Psychotherapie der Abhängigkeitserkrankungen und in psychoanalytischer Gruppen- und Familienpsychotherapie.

DAS INTERVIEW FÜHRTE Kessava Packiry
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